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Sauna
is bad!
Wie haben Paula und ich die fünf Wochen nach der Sommerreise
verbracht? Solange wir zuverlässig jeden Freitag zum
Crewwechsel in Thurø erscheinen, konnten wir uns aussuchen,
ob wir segeln oder nicht. Uns nach dem Ablegen überlegen, wo
wir hinfahren. Beliebig Pläne schmieden, ändern,
verwerfen. Die ersten zwei Wochen waren böig, gewittrig und
reich an Hafentagen, der Klinker-Cup fiel aus. Danach haben wir alle
noch fehlenden Lieblingshäfen abgeklappert: Drejø
Gl. Havn, Bisserup, Agersø, Dageløkke. Und auch
ein ganz neuer Hafen war dabei. Nun steht *seufz* der Rückweg
zur Schlei an.
August 2025
Skælskør
ist total leicht zu finden: Von der Nordspitze von Agersø mit
Westkurs an einer roten Fahrwassertonne vorbei auf Sjælland zu.
Dort beginnt die übersichtliche Betonnung des flachen, engen,
mäandrierenden Skælskør Fjordes. Man kann sich ein
wenig sattsehen an üppigem frischem Grün, darf dabei aber
nicht aus dem Fahrwasser geraten – es wird sofort flach. Nach
einem Schlenker um eine Halbinsel fährt man auf die Stadt und die
diversen Liegemöglichkeiten zu. Skælskør
ist…naja…ganz hübsch, aber sicher nicht so, dass das
man es unbedingt gesehen haben muss: Ein winziges
Provinzstädtchen, ein bisschen Gastronomie, ein verstaubtes
Museum. Der Fjord ist wirklich schön, und angenehm kurz im
Vergleich zum mehr als doppelt so langen Haderslev Fjord. Leider bietet
er kaum Alternativen zum Weg ganz in die Stadt: Ein kleiner Angelsteg
im Grünen und eine einzeln Mooringboje, aber keinerlei
Ankerplätze.
Er
mäandriert so sehr, dass das Auslaufen bei schwachem Westwind nur
auf kurzen Teilstücken Kreuzen bedeutet. Hier muss man aber
höllisch aufpassen – Wenden sind einzuleiten, sobald es
anfängt, flacher zu werden. Also besser bei vier Meter Tiefe als
bei drei, außer dass die vier Meter gar nicht durchgängig
erreicht werden. Zwischendurch denke ich: „Oh, da ankert ja doch
jemand,“ wenngleich höchstens zehn Meter außerhalb des
Fahrwassers. Erst als derjenige mich fragt, ob ich ihn freischleppen
kann, fällt mir auf, wie weit das Heck aus dem Wasser ragt. Ich
zeige auf den mickrigen Außenborder und verweise auf die nachfolgende
Motoryacht.
Nach
einem Flautentag in Bisserup segeln wir ohne jeden Zeitdruck 44 Meilen
am Stück – wir haben immer noch große Lust zu segeln!
Auf die Ankernacht im Lindelse Nor folgt ein bemerkenswerter, seltsamer
Tag: Auslaufend aus dem Lindelse Nor muss man weit genug nördlich
bleiben, bis man den Stein nördlich von Bukø passiert hat.
Im Verlauf der nächsten halben Bogenminute nach Westen muss man
weit genug nach Süden kommen für die Ausfahrt: Eine
unbetonnte Rinne zwischen felsigen Sandbänken, die genau mit
Westkurs zu durchfahren ist, bis es wieder tiefer wird. Immerhin den
Stein haben wir schon, als das GPS ausfällt. Nein, es geht nicht
etwa aus. Es zeigt Unsinn an. Als Erstes fällt mir die angebliche
Kursänderung auf. Die Koordinaten bleiben einigermaßen
konstant, hüpfen aber hin und her. Der Speed wechselt von rasanten
10 oder 20 Knoten auf null. Dann wieder auf irgendetwas und zurück
auf null. Im Baltikum, in Polen, in Finnland und Schweden gehören
Störungen des GPS-Signals ja schon länger zur Tagesordnung,
jetzt hat der Scheiß auch Dänemark erreicht. Zum Glück
hörte ich schon einzelne Erfahrungsberichte aus dem Store Belt und
las die entsprechende nautische Warnnachricht – ich bin also
nicht allzu überrascht, sondern habe gestern beim Einlaufen schon
darüber nachgedacht, wie blöd das wäre ohne GPS in den
unbetonnten, flachen Becken der Südsee.
Ich
nehme die Schoten dicht. Sollten wir festkommen, dann gerne
möglichst langsam statt mit den fünf Knoten der schönen
Morgenbrise. Wir haben genug Hilfsmittel, um sicher hier rauszukommen:
Den Kompass. Das Echolot. Und das Wissen, dass die Rinne genau zwischen
dem Getreidespeicher auf Langeland und der Windmühle auf
Strynø verläuft. Wir müssen also noch ein
Stückchen weiter nach Süden. Als mir Wassertiefe und Peilung
gefallen, ist das GPS wieder klar. Der Zauber hat nur fünf Minuten
gedauert. Er lässt mich ein bisschen ratlos zurück.
Südlich
von Strynø Kalv entwickelt sich der Tag endgültig zu einem
rätselhaften: Der Wind verschwindet komplett. Und das GPS piepst
und sagt „Power Alarm“. Auch das überrascht mich nicht
völlig, ich hatte in Bisserup schon den Eindruck, dass Paulas gar
nicht alte Batterie nicht mehr fit ist. Ich schalte Funke und
Bilgepumpe aus. GPS und Echolot bleiben laufen. Ohne weitere Alarme.
Der Wind kommt auch wieder. Vor Birkholm ist wieder Flaute, immerhin
läuft die Strömung mit. Im Højestene Løb und
dann querfeldein zwischen Drejø und Skarø saust Paula mit
gut fünf Knoten. Und der Power Alarm kehrt zurück.
Zunächst alle paar Minuten. Dann alle paar Sekunden. Noch eine
halbe Meile bis zur Untiefe Grydholm. Wenn wir die passiert haben,
schaffen wir den Rest nach Sicht. Zumindest ein Instrument hätte
ich aber doch gerne zur Verfügung. Ich weiß, dass das GPS
sich ausschaltet, wenn eine bestimmte Mindestspannung unterschritten
wird. Was ich nicht weiß, ist, ob das Echolot dann noch ein
bisschen weiter funktioniert. Und auch nicht, welches der beiden
nützlicher sein wird. Manchmal schalte ich auf dem Weg zum Gamle
Havn das Echolot einfach aus, weil mich die niedrigen Tiefen
nervös machen. Flach ist es hier überall, das weiß ich
auch so, und wo ziehe ich die Grenze und drehe ab? Wichtiger ist der
richtige Kurs.
Beim
Kreuzen allerdings ist das Echolot viel nützlicher. Es liefert in
Echtzeit nicht nur die Wassertiefe, sondern vor allem die Rate, mit der
sie kleiner wird, also wie steil die Kante ist. Das tut es weiterhin,
auch wenn das GPS gestört ist. Eine Viertelmeile noch.
Erstaunlicherweise finde ich jetzt querab den Überwasserteil der
Untiefe, eine kleine, sichelförmige Sandbank, die ich
normalerweise beim besten Willen nicht zu sehen kriege. Und die
Instrumente laufen immer noch. Wir luven an. Wir befinden uns genau
nördlich der Ansteuerung zum Gamle Havn. Der direkte Weg wäre
aber auch untief, 190 Grad ist erstmal ein guter Kurs, bis wir die
beiden Gummibälle querab haben. Dass wir ausgerechnet jetzt den
meisten Wind des Tages haben und mit sechs Knoten fliegen, hätte
ich nicht unbedingt gebraucht. Das Echolot erweist sich nun als
hilfreich, indem es mich davor bewahrt, den Schlag zu weit ins Flache
auszufahren. Wir wenden, ich berge die Fock, wir sind an den
Bällen. Fast geschafft – nur noch drei Fragen sind
unbeantwortet: Ist Platz im Hafen? Können wir die Rinne anlegen?
Und was ist das für ein Mastenwald direkt neben dem Hafen?
Platz?
Sieht so aus. Anlieger? Sieht auch so aus, gerade so eben und eben, mit
voller Konzentration und unter Ausnutzung jeder minikleinen Bö.
Kurz vor der Hafeneinfahrt – zack! - das Groß runter. Mit
einem Knötchen treibt die schöne Paula in den Hafen. Wir
machen Eindruck, vor allem bei den Teilnehmern der International
Wayfarer Rallye. Die haben aus 12 Ländern ihre Jollen nach
Rantzausminde getrailert, zelten dort auf der Wiese und segeln
Tagesausflüge. Mehrfach werde ich angesprochen: „We love
your boat!“ Oder einfach nur, wie gelungen sie unser Reinsegeln
fanden. Ich bin mal wieder nicht auf zack – die englischen
Jollensegler, mit denen ich mich ein bisschen länger unterhalte,
wären bestimmt aufgeschlossen, auf einem Folkeboot die
dänische Inselwelt ausführlicher zu erkunden. Doch ich
verzichte auf die naheliegende Werbung. Sie selbst segeln dann auch
wieder los, zurück zu ihren Zelten in Rantzausminde. Wenige haben
einen Motor. Unbeschwert segeln sie außerhalb der Rinne herum
– sie haben auch keinen Tiefgang. Die letzten Nachzügler
haben allerdings auch keinen Wind. So, wie sie da treiben und mit der
Strömung im Svendborg Sund noch bis 22 Uhr westgehend, sieht das
nach einer Nachtfahrt aus. Hoffentlich haben die Veranstalter an so
etwas wie Begleitboote gedacht.
Nun
darf Frieda zwischen all den weißen Booten ein letztes Mal in der
Abendsonne posieren. Fünf Wochen haben wir uns in Thurø
heimisch gefühlt. Nun fällt der Abschied ein bisschen schwer,
doch er steht an – in Form eines letzten Flottillentörns
dieses Jahr. Als die Woche in die Prognose rutschte, habe ich mir die
Haare gerauft: Ex-Hurricane Erin drohte uns den Spaß zu
verderben, so sehr, dass ich schon zweifelte, ob wir es an die Schlei
schaffen würden. Doch da war die Zugbahn und weitere Entwicklung
des Tiefs noch recht unklar. Inzwischen hat Erin sich westlich von
Schottland eingerichtet, verharrt dort und schickt hin und wieder eine
schwache Front rüber. Mehr nicht. Sturm, Blitz und Donner in
Schottland also, Spätsommer in Dänemark. Ich freue mich auf
den Törn!
Als
grobe Richtung müssen wir nach Westen. Ich möchte aber mit
den neuen Gästen nicht gleich am ersten Nachmittag gegen die
Strömung den Svendborg Sund aufkreuzen. Dageløkke ist die
naheliegende Alternative - und ein gelungener Auftakt einer Reise mit
vielleicht der gemischtesten Crewzusammenstellung, die wir je hatten.
Auf Frieda: Jens und Andreas, letztes Jahr um diese Zeit schon mit
dabei, eingespieltes Team mit viel Regattaerfahrung. Martha beherbergt
mit Freude Conny und Franziska, ebenso segelerfahren und eingespielt,
vielleicht nicht ganz so trimmafin wie Andreas, aber lernwillig und
schnell unterwegs. Oli: Dieter und Anneke, Vater und erwachsene
Tochter, bisher eher Binnensegler im Voralpenland. Bei der Einweisung
möchte ich Anneke gleich als dauerhafte Assistentin shanghaien, so
gut versteht sie die Handgriffe und kann sie auch weitererklären.
Auf Salty machen es sich drei Generationen gemütlich: Emil (7),
Papa Jonte und Opa Jörg. Jörg hat auf Sylt ein eigenes Boot.
Jonte ist Gelegenheitssegler. Emil segelt zum ersten Mal in seinem
Leben – zweifellos ist dies ein soziales Experiment. Die beiden
Jüngeren in der Crew sind St. Pauli-Fans. Ihr Urlaub beginnt am
Freitagabend mit dem 2-0 im Stadtderby – und ich bin motiviert,
dieses Niveau an Glück und Freude aufrecht zu halten.
In
Dageløkke gibt es zwei neue Attraktionen: Einen Eiskremwagen.
Und ein Hinweisschild: SAUNA IS BAD! Dieser Meinung bin ich, seit ich
in den Nebelschwaden des Gellert-Bades in Budapest um mein Leben
fürchtete. Dass hier so unmissverständlich die Wahrheit
geschrieben steht, ist ein weiterer guter Grund, immer wieder nach
Dageløkke zu segeln. Emil hatte allerdings sein eigenes
Kulturschockerlebnis, als er ein Eis bestellte, das wie Stracciatella
aussah – es war Lakritzeis. Mir hätte es das auch nicht
geschmeckt, Emil bekam ein neues.
Um
acht laufen wir aus. Wir haben uns einiges vorgenommen: Erstmal die
neun Meilen zurück zum Svendborgsund, wo wir bis kurz vor
zwölf eine schwache mitlaufende Strömung erwarten, dann
weiter nach Westen. Zunächst läuft es super, in der Lunke
Bugt schwächelt der Wind. „Paula für Lilla
Flicka“, höre ich im Funk. Marcus und Wiebke sind früh
in Lohals ausgelaufen, und als sie vor sich fünf Folkeboote sehen,
wissen sie genau, wer das ist. Wo wir denn hinwollen, fragt Marcus. Ich
gucke aufs GPS – 3,8 Knoten zeigt es an. „Lyø lautet
das ambitionierte Ziel“, sage ich. „Ist wirklich
ambitioniert“, sagt Marcus, „mal sehen, wie lange wir euch
folgen.“
Die
Strömung spielt von Thurø bis Rantzausminde keine
wesentliche Rolle, aber der Wind legt zu. Von Svendborg bis
Skarø müssen wir Höhe laufen, ab dort ist es halber
Wind. Nicht unsere Stärke: Lilla Flicka kommt allmählich auf.
Kurz vorm Yachthafen Avernakø überholt sie. Ich gucke mir
das sehr genau an: Lilla Flicka hat die Schotschiene auf dem Deck und
Barberhauler nach innen, um mehr Höhe laufen zu können. Paula
hat die Schotschiene auf dem Kajütdach – und bisher keine
Barberhauler. Sobald wir abfallen und ich einen Schrick auf die
Fockschot gebe, hat das den Nachteil, dass das Segel oben tierisch
aufmacht und unten viel zu dicht bleibt. Wenn unten die grünen
Trimmfäden zappeln und oben die roten, ist mit Sicherheit etwas
falsch – doch ich kann es nicht ändern.
Der
Wind dreht, fällt ein bisschen achterlicher ein. Lilla Flicka ist
eben vorbei und hat dreißig Meter Vorsprung. Ich schnappe mir den
Fockausbaumer. Sofort rauscht Paula einen halben Knoten schneller
wieder vorbei. Von ihrem Nachteil befreit, bleibt sie genauso schnell,
solange wir ausgebaumt segeln können. Ich denke, ich werde da im
Winter etwas hinbasteln. Den Hafen erreichen wir als Erste: Frieda und
Martha, die uneinholbar vorneweg gesegelt sind, waren auf uns. Marcus
und Wiebke vertrödeln Zeit mit Segelbergen und Motor Starten. Wir
legen einfach an. Als Salty und Oli mit kollektiver Unterstützung
in ihre Doppelbox treiben, bin ich gedanklich schon beim Wind für
den nächsten Segeltag, an dem wir den Lille Belt queren wollen.
Ich
frage Marcus nach einer zweiten Meinung. „Ist doch klar:
Hafentag“, sagt er. Südost 5 Böen 6 ist kein absolutes
no-go. Ich kann mir aber vorstellen, dass vor allem Emil mit bis zu
einem Meter achterlicher Welle nicht gut zufrieden wäre, und ich
selbst habe auch keine große Lust darauf. Ich stelle es morgens
zur Diskussion. Die Gruppe findet: Wenn schon Hafentag, dann auch
Lyø. Nachmittags bei leichtem Regen (und nur mäßigem
Wind, aber egal) sitzen wir im Clubraum zusammen bei Apfelcrumble,
Kaffee, Würfelspiel und Klönschnack – und alle sind
glücklich und zufrieden. Montagmorgen um acht laufen wir wieder
aus. Wind ist bestenfalls Südost 3 Böen 4, im Nacken sitzt
uns ab vierzehn Uhr die Gewitterwarnung. Fünf Knoten im Schnitt
und fünf Stunden Fahrtdauer müssen wir schaffen, um
rechtzeitig am Ziel zu sein. Faldsled (falls es gar nicht läuft)
und Aarø (falls sich kurz vorm Ziel fiese Wolken zeigen) sind
die sicheren alternates, eigentlich wollen wir ins Grüne: Nach
Stagodde eingangs des Haderslev Fjord. Schönstes, stressfreie
Segeln, die mitlaufende Strömung sorgt für guten Speed
– Martha segelt vorneweg an Aarø vorbei. Nach exakt
fünf Stunden legt Paula um 13 Uhr 15 an. Kurz danach sind alle da.
Kaum ist die letzte Kuchenbude aufgebaut, beginnt es zu donnern.
Abends
klart es wieder auf, und wir treffen uns auf dem Steg. Ich habe mich
schon in Thurø gefragt, ob da eine Geige oder eine Mandoline an
Bord getragen wird. Dieter und Anneke lüften das Geheimnis und
packen ihre Ukulele aus. Ich sehe das sehr schnell ein: Ein tolles
Instrument speziell beim Segeln, klein und kompakt. Der dünne Hals
kommt meinen kurzen Fingern, die sich an der Gitarre sehr schwer tun
mit den Griffen, enorm entgegen. Leider hat die Ukulele nur vier Seiten
und ist anders gestimmt – ich müsste neu lernen, bin aber in
Versuchung. Erstmal haben wir ein weiteres Element für die
Gruppendynamik. Nicht dass es nötig wäre – so
unterschiedlich die Charaktere sind, so sehr genießen sie das
Miteinander und halten zusammen. Emil ist bestens umsorgt von
Franziska, Conny und Anneke, wenn Jörg und Jonte eine Pause
brauchen. Frieda-Crew hat für Martha-Crew jeden noch fehlenden
Trimmtip bereit. Ich werde fast nicht gebraucht. Am nächsten
Morgen legt Paula frech als erste ab.
Die
Kreuz durch den Aarøsund ist wie für uns geschaffen: Kaum
haben wir uns aus der Abdeckung des Haderslev Fjords geschlichen, wehen
uns recht stetige Südsüdost 5 entgegen. Bei schwacher
mitlaufender Strömung – DMI hatte das angekündigt, ich
wollte es kaum glauben – ist die Welle kurz und steil. Der Tag
beginnt nass und salzig bei all den Gischtfontänen. Paula ist
vornean, und sie ist schnell. Kaum verlassen wir die Strömung,
mäßigt sich die Welle. Man könnte diskutieren, ob Paula
und ich nicht den letzten Holeschlag zu weit ausgefahren sind. Doch
Frieda und Martha quälen sich dicht unter Land, während wir
in offenem, tiefem Wasser weder Höhe kneifen noch auf Untiefen
achten müssen. Unser Vorsprung wächst, bis wir alle abfallen
können Richtung Barsø und weiter in die Genner Bugt. Noch
vor zwölf Uhr legen wir in Kalvø an. „Schon wieder so
ein schöner Segeltag“, sagt Jens.
Wir
sind trotz der kurzen Strecke so früh ausgelaufen, um es entspannt
tun zu können, bevor der Wind aufbrist – hat gut geklappt.
Jetzt nutze ich die Zeit zur Mittagsstunde. In meinen wirren Traum kann
ich manches Geräusch gut einbauen, doch der Schiffsdiesel in hoher
Drehzahl weckt mich auf. Es ist die gute, alte Jonas, die gerade
anlegt. Fast habe ich damit gerechnet, das Schiff, auf dem ich
angefangen bin zu segeln, heute hier zu treffen. Als ich
rüberschlendere, sitzt Stefan gerade mit der Gästegruppe auf
dem Vorschiff und erklärt, was es hier zu sehen gibt und wie das
auf Kalvø läuft. Als er zugibt, den Toilettencode erst
herausfinden zu müssen, recke ich im Hintergrund einen
Zeigefinger. „Vielleicht verrät uns ein Nachbar den
Code“, höre ich Stefan sagen.
Ich
schleiche mich verschwörerisch an – psst! - wie der Spion
aus der Sesamstraße, der Grobi einen Buchstaben verkaufen will.
Hinter vorgehaltener Hand verrate ich den Code. Dann haben wir kurz ein
bisschen Zeit zum Plaudern, doch während Jonas‘ Gäste
drei Stunden brauchen, um das einfachste Gericht der Woche
zuzubereiten, bin ich von meinen Gästen im Badehotel zum Essen
eingeladen. Bisher waren wir meistens am Ruhetag in Kalvø, aber
mir wurde gesagt, die Scholle sei zu trocken, der Burger
empfehlenswert. Heute bestelle ich den Burger, während alle
anderen vom Stjerneskud schwärmen. Fazit: Burger okay,
Brötchen fade, Pommes versalzen. Aber Magen gefüllt und
nettes Zusammensitzen, dass wir mit Ukulele und Chorgesang an den
Tischen vor Paulas Liegeplatz in den späten Abend fortsetzen.
Donnerstag
machen wir etwas anderes: Wir laufen extra spät aus erst kurz nach
Mittag. Warum? Die 5er, 6er Böen möchte ich gerne nutzen
für die Strecke zum Als Fjord und durch den Als Sund. Aber beim
Warten vor der Klappbrücke in Sønderborg und
anschließend beim Einlaufen in den bei Südost
ungeschützten Yachthafen hätte ich es gerne ein bisschen
ruhiger. Also dürfen wir nicht zu früh einlaufen. Ich
weiß ja schon, dass ein Teil der Gruppe prima alleine ablegen
kann und dem anderen Teil der Gruppe gerne und kompetent dabei hilft.
Besonders Franziska tut sich dabei hervor, in ruhigen, gelassenen
Worten den einen oder anderen Hinweis zu geben, mindestens genauso gut,
wie ich es könnte. Paula schleicht sich also wieder als erste vom
Liegeplatz.
Im
Als Fjord bei halbem Wind überholt zunächst Martha. Dann
kommt kurz vor der Kardinaltonne am Anfang des Als Sund Frieda auf.
Über Funk: „Martha, hier ist Frieda. Wir legen Protest ein.
Die Bahnmarke ist zu runden. Ihr müsst zurückfahren und die
Bahnmarke runden.“ Ich lege Ruder und nehme die Schoten dicht,
Paula fährt die gleiche Abkürzung und demonstriert, dass wir
auch aus unserer Sicht hier keine Regatta segeln. Gleichwohl
möchten wir uns ja auch keine unnötige Blöße geben
– im Als Sund kennen wir uns schließlich aus. Wind ist ein
sehr böiger Westsüdwest – mithin keine Kreuz. Aber auf
der Jütland-Seite sind lauter Bäume, die Abdeckung bieten. In
den Böen ist das egal, aber der schwache Mittelwind ist auf der
Als-Seite erheblich stärker zu erwarten. Paula findet, wir sollten
das nutzen – auf die gleiche Weise haben wir uns vor Jahren von
einer theoretisch deutlich schnelleren Grinde nicht abschütteln
lassen. Wir stellen unsere Falle: Wir tun so, als wollten wir Frieda in
Luv überholen. Andreas ist sofort sensibilisiert. Ich knipse ein
misslungenes Foto, Paula fällt ab. Frieda bleibt ein paarmal
richtig stehen in der Abdeckung. Paula segelt im schwachem Mittelwind
in flaches Wasser. Doch immer kommt rechtzeitig ein schöner
Drücker, in dem wir dreißig Grad anluven und ins Tiefe
zurücksegeln können. Martha hält sich schön in der
Mitte und kann bisweilen abfallen, während wir dort in Lee jedes
Grad Höhe ausnutzen müssen, das wir laufen können.
Andreas guckt sich das an, begreift natürlich sofort, was wir da
machen, entscheidet aber, in Luv zu bleiben. Er hat ja Recht: Wenn wir
einen Holeschlag brauchen, reihen wir uns hinten ein. Und vor der
letzten Ecke vor der Hochbrücke sieht es tatsächlich so aus,
als ob wir die nicht schaffen würden. Ich weiß aber, dass
dort die Bäume am Jütland-Ufer zu Ende sind und mit einer
schönen Düse zu rechnen ist.
Und
tatsächlich rauschen wir darin an Martha vorbei rüber zum
grünen Tonnenstrich und sind als Erste an der Hochbrücke
– die ja wohl als Ziellinie zu gelten hat, denn danach gilt es,
vierzig Minuten zu vertrödeln vor der nächsten
Klappbrückenöffnung. Um es erneut zu betonen: Mein Ego
braucht es nicht, immer schneller zu sein als die Charterboote. Ich bin
sogar froh, dass die Charterboote potenziell mindestens genauso
schnell, eher schneller sind als Paula. Ich spiele aber gerne mit bei
so einem Regattaspiel – und natürlich freue ich mich
über all die Tricks in Paulas Ärmel. Dass Oli und Salty, die
an unserem Spiel nicht unbedingt teilhatten, locker die gleiche
Brücke schaffen, und dass alle gesittet bei wie geplant inzwischen
schwachem Wind anlegen, rundet den gelungenen Segeltag ab. Abends gibt
es zwar keine Ukulele, aber angenehme Gespräche und das
Gefühl, Freunde gefunden zu haben, die ich gerne wiedersehen
möchte.
Sønderborg
Yachthafen fällt extrem ab angesichts der Idylle, in der wir uns
bisher hauptsächlich bewegt haben. Es gilt pragmatisch zu sein:
Einerseits einen letzten dänischen Hafen, andererseits dicht an
der Schlei, bevor die Reise unvermeidlich und möglichst
rechtzeitig zu Ende geht. Andreas und Jens müssen noch nach
Leipzig, die Anderen haben es nicht ganz so weit, doch die Boote
müssen sauber und betankt sein, wenn ab 18 Uhr die neuen
Gäste erscheinen. Im Regen laufen wir um acht Uhr aus. Die
Windprognose wurde von Tag zu Tag beständig nach unten korrigiert.
Es stand im Raum, Donnerstag schon an die Schlei zu müssen, um
dann am Freitag nur noch das kleine Stück nach Arnis vorzuhaben.
Spätestens in Kalvø waren wir committed, den Freitag als
vollwertigen Segeltag einzukalkulieren.
Von
Beginn an läuft es nicht brilliant, aber mit recht konstanten vier
Knoten besser als erwartet. Südlich von Falshöft werden wir
schneller und immer schn….doch nicht, die Bö ist vorbei.
Die spannende Frage bleibt, ob wir bei Südwest das Fahrwasser in
der Schlei anlegen können, ober ob es eine komplette Kreuz wird.
Wir erreichen gegen ein Uhr den Leuchtturm. Es ist eine schöne
Kreuz, viel spannender als Geradeaussegeln, und Frieda und Paula
schaffen eine Punktlandung für die Brückenöffnung
Viertel vor zwei - eine Stunde früher als gedacht. Die Anderen
reißen rechtzeitig den Außenborder an, alle kommen durch.
Stressfrei kann ich die Boote inspizieren und die alten Gäste
verabschieden, die neuen begrüßen. Nach so einer tollen
Woche wäre ich wirklich enttäuscht, wenn ich nicht alle
demnächst wiedersehen würde.
Nach 1560 Seemeilen und 82 Segeltagen könnten wir sagen: Genug
geleistet für
ein einziges Jahr. Nein, ich messe die Qualität einer Saison nicht
in Meilen, Stunden oder Tagen. Bemerkenswert ist, dass Paula und
immer noch richtig Lust zu
segeln haben. Nach Einweisungen und Einkaufsbummel am Samstag legen wir
gleich wieder ab.
P.S. Ich habe das schon richtig verstanden, und ihr bestimmt auch: Sauna is bad bedeutet auf Dänisch etwas anderes als auf Englisch: Sauna Eisbad.
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