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Folkeboot-Treffen
2024
Auf dem zweiten Downwind schwächelt der Wind. „Och
nö“, sagt Paula, „kein‘ Bock auf
Flaute jetzt.“ Wir lassen die Anderen weiter die Bahn
absegeln, kehren um und kreuzen alleine zurück zum Hafen. Das
beschert mir, wovon Paula spürt, dass ich es brauche: Rund ums
Anlegen einfach mal zehn Minuten meine Ruhe.
Mai 2024
Danach
bin ich wieder klar und bereit für den Rest meines langen,
geselligen Tages. Er beginnt um acht Uhr mit Einkaufen. Danach mache
ich wie immer in Ruhe und ausgiebig Einweisung für die
einzigen
Neuen unter den Chartercrews. Um mich herum organisiert sich das
Folkeboot-Treffen: Fleißige Hände schaffen
Bänke und
Grills heran, die Zapfanlage ist schon betriebsbereit, weitere Boote
treffen ein. „Wie viele haben sich denn
angemeldet?“, fragt
mich jemand. „Keiner“, ist die richtige Antwort,
denn man
muss sich nicht anmelden – einfach nur die richtige Menge
Grillgut mitbringen genügt.
Pommery,
Lilla Flicka und Saga sind schon am Freitag angereist. In der
Abenddämmerung erregte das Geräusch eines
Außenborders
meine Aufmerksamkeit – er gehörte Lovis. Gegen
sechzehn Uhr
waren Thorsten und Henri in Mönkeberg aufgebrochen, haben in
Kappeln die letzte Brücke geschafft – nun sind sie
da, und
ich freue mich! Wir sitzen eine Weile zusammen in Lovis‘
Cockpit,
trinken dann mit den Anderen noch ein Bier, um Mitternacht gehen wir
schlafen. Die ganze Familie ist mir sehr ans Herz gewachsen, wir sehen
uns viel zu selten, aber nun ist ein guter Anlass, zumindest
die
Hälfte von ihnen zu sehen.
Wäre
es nicht zweimal wegen Covid-19 ausgefallen, zelebrierten wir
diesmal das zehnte Folkeboottreffen. Von einer vom Kollegen Mike und
mir ersonnenen Werbeveranstaltung hat es sich prächtig
entwickelt:
Zum Selbstläufer und Fixpunkt einer etablierten Community. Zur
niedrigschwellingen Anlaufstelle für Folkeboot-Neulinge und
Neugierige. Zu einer farbenfrohen Abwechslung für die
gastgebende
WSG Arnis. Aus meiner Sicht auch zu einem Paradebeispiel sozialer
Kompetenz, wie sie längst nicht überall praktiziert
wird. Wir
haben uns nicht alle lieb – aber aus dem Folkeboot-Treffen
sind
dauerhafte Freundschaften entstanden, ansonsten respektieren wir
einander, geben einander Raum für spinnerter Vorstellungen und
Ideen, freuen uns, uns wiederzusehen - und für zwei Tage
ziehen
wir an einem Strang, damit niemand überlastet ist und gerade
deshalb alles perfekt funktioniert.
Oliese
und Martha legen ab – die Gäste haben weder Regatta
noch Grillparty im Sinn, sondern eine gewöhnliche
Charterwoche,
und heute ist der Wind günstig für grobe Richtung
Sønderborg. Warum auf beiden Booten die Segel noch nicht
vorbereitet sind, erschließt sich mir nicht, aber es
fällt
mir leicht wie selten, die Schultern zucken und zu sagen:
„Darum
kümmere ich einfach mal nicht.“ Die Woche
Flottillentörn, seit Donnerstagabend bereichert durch Pommery
und
Lilla Flicka, haben mein Bedürfnis nach Gesellschaft schon ein
bisschen übererfüllt. Aber ich freue mich
über jedes
eintreffende Boot, jedes Wiedersehen mit alten Bekannten, jedes neue
Gesicht. Ich habe null Lust auf Stress und Seglersmalltalk, aber
große Lust, ein paar schöne Fotos zu machen
– es gab
auch schon Folkeboot-Treffen, wo mein Bericht nur Text und kein
einziges Bild enthielt.
Nach
einem kurzen Briefing legen wir ab, um gemeinsam auf der Schlei
spielen zu gehen. Es gibt ein Startsignal, das keiner hört,
und
eine Startlinie, an deren einem Ende das Startschiff fehlt. Das ist gut
für Pommery und Paula: Als Einzige sind wir pünktlich
an der
Verbindunglinie zwischen Tonne 40 und Lord Jim. Alle weiteren Boote
halten sich zurück, es gibt kein Gedrängel bei
unserem
unorthodoxen Vorm-Wind-Start. Ich baume aus, und wir halten in etwa den
Abstand nach vorne und hinten bis zur Regattaboje. Bei bedecktem
Himmel, aber warmem, trockenem Wetter und zwei bis drei
Windstärken ist es schönstes Segeln, und die lange
Reihe von
Booten hinter uns gibt ein hübsches Bild ab.
Ausgelaufen
sind wir mit vierzehn Booten. Idefix und Louise reihen sich
unterwegs ins Feld ein. Jane und Lilla Flicka sind im Hafen geblieben,
Björn und Marcus spielen woanders den Vorschoter.
Während wir
segeln und später am Abend treffen noch zwei weitere
Folkeboote
ein, insgesamt sind es also zwanzig – eine erfreuliche
Bilanz,
denn diesmal ist sie weder durch Mitzählen der in Arnis
beheimateten Boot geschönt, deren Eigner gar nicht vor Ort
sind,
noch haben Mike oder ich unvermietete Charterboote mitgezählt.
Neben neuen Gesichtern sind etliche zum zweiten oder dritten Mal dabei,
manche haben ihr Boot erst seit Kurzem und freuen sich, tiefer in die
Folkeboot-Wunderwelt einzutauchen.
Bei
dem, was offiziell „Geschwaderfahrt“
heißt,
deutliche Züge einer Regatta trägt, aber von mir
„Spielen gehen“ genannt wird, werden keine Preise
vergeben.
Jeder verschafft sich auf seine Weise sein Erfolgserlebnis: Ich zum
Beispiel bin wieselflink mit dem Fockausbaumer. Paula klebt lange an
Pommery, bis wir bei der Kreuz den guten Wind am Südufer
vermuten,
wo er doch am Nordufer viel besser ist. Stefan segelt zum ersten Mal
Regatta, noch dazu einhand, und darf mächtig stolz sein auf
seine
Fortschritte – er hat Violetta gerade erst gekauft und
klugerweise bei mir ein Training gebucht und bei jeder Gelegenheit
fleißig geübt.
Tilda
ist mit den abgerocktesten Segeln, die ich seit Langem gesehen
habe, unglaublich schnell unterwegs, obwohl das Boot weder
Schotwinschen noch Fockausbaumer hat. Lord Jim hat mächtig zu
kämpfen, auf der letzten Kreuz noch an ihr vorbeizukommen
–
doch das genügt nicht, um Pommery einzuholen, die eine halbe
Bootslänge vor ihr durchs Ziel geht. Da haben Paula und ich
unseren fünften oder sechsten Platz schon eingetauscht gegen
ein
paar Minuten Ruhe und freien Zugang zu unserer Box– eine gute
Entscheidung.
Das
Anlegen im Päckchen an der Kranplatte finde ich extrem
chaotisch: Da wird motort und eingedampft, abgehalten und kollidiert,
endlos lange an sinnlosen Leinen gezerrt – bei
Flottillentörns mit unerfahrenen Chartergästen ist
das
koordinierter und souveräner. Doch es geht mich nichts an, was
die
da treiben – ich baue in Ruhe noch die Kuchenbude auf, dann
greife ich wieder zur Kamera. Vincent heizt die Grills an. Wir haben
wie immer den Spielplatz gebucht – das ist aus vielen
Gründen angemessen, auch ohne allzu viele mitreisende Kinder:
Ein
Folkeboot ist weder ein Sportgerät noch sonst ein toter
Gegenstand, sondern eine Spielgefährtin. Eine Regatta,
jedenfalls
unsere, ist ein Spiel. Natürlich grillen wir auf dem
Spielplatz,
wo denn sonst?
Mir
ist wichtig, in der gastgebenden WSG Arnis einen guten Eindruck zu
hinterlassen. In meiner Eigenschaft als Privatperson bin ich Mitglied,
Paula hat hier ihren Liegeplatz. Die Charterboote kommen allenfalls als
Gastlieger unter, ich möchte niemandem auf die Nerven gehen.
Natürlich dürfen wir nicht die Hafenruhe
stören und
müssen alles sauber und aufgeräumt hinterlassen.
Egal, ob ich
mich akribisch darum kümmere als der Große Zampano,
oder ob
ich komplett der Eigeninitiative der Teilnehmer vertraue –
letztlich fällt jedes Manko zuerst auf mich zurück.
Die
bisherigen Erfahrungen waren gut: „Die Mitglieder haben sich
beschwert“, sagte mir regelmäßig am
Sonntagmorgen der
Hafenmeister, „die Musik war zu kurz und zu leise.“
Das
hört ein Veranstalter gerne, und es wird auch immer wieder
begrüßt, wie lebhaft sich die Folkebootszene,
chaotische
Päckchen bildend, hier versammelt. Die Seglerszene hat sich
– parallel zur Gesamtgesellschaft - enorm gewandelt in den
letzten Jahren, weswegen Anachronismen wie wir an Bedeutung gewonnen
haben. Offenbar gibt das kleine, spartanische Boot einen Grundkonsens
vor. Zum Beispiel bilde ich mir ein, dass die meisten von uns die
Klimaveränderung ernst nehmen und rechtsradikale
Verschwörungstheorien ablehnen. Ich möchte aber nicht
philosophisch oder gar politisch werden, sondern schreibe eigentlich
eine extra Absatz, um Platz für ein zusätzliches Foto
zu
gewinnen.
Abends
gibt es also Sättigendes und Köstlichkeiten, dazu
reichlich Gespräch und zuletzt noch eine Jam-Session zweier
Gitarristen, die sogar das Gleiche spielen, wenn sie beide das
Stück kaum kennen. Mystisch wabert der Nebel in den Hafen, die
Ersten gehen in die Koje, doch ich halte durch, denn ich fühle
mich pudelwohl. Besonders freue ich mich, als Ulf und Dörthe
auftauchen: Sie hatten mal ein Folkeboot, seit letztem Jahr ist es ein
Spitzgatter, und diesmal ist er noch gar nicht zu Wasser, sondern sie
haben eben noch die Scheuerleisten montiert. Gleichwohl wäre
ein
Folkeboot-Treffen ganz ohne die beiden schwer vorstellbar.
Aber
auch alle Anderen müssen unbedingt nächstes Jahr
wiederkommen! Vielleicht habe ich ja doch alle lieb, jeden auf seine
Weise. Als ich morgens schlaftrunken den ersten Becher Kaffee
genieße, wird hinter Paulas Heck von Cockpit zu Cockpit
gefachsimpelt. Als ich halbwegs wach bin, streue ich einige Tipps und
Einschätzungen in die Runde, dann inspiziere ich den
Spielplatz:
Alle Tische sind schon wieder zurück an ihrem
ursprünglichen
Platz, die Grills sind sauber, und auf dem Rasen finde ich als Einziges
ein im Dunkeln verlorenes Gitarrenplektrum, das ich Coco freudig
zurückgebe.
Pommery
ist da schon zwei Stunden unterwegs – Erik muss es
mindestens bis Søby schaffen, ohne Motor und fast ohne Wind.
Einzig das erste Gewitter des Tages beschert den jetzt eilig
Auslaufenden eine willkommene Brise. Es ist wie befürchtet
nicht
das tollste Segelwetter für die Heimreise – um so
toller
finde ich, dass alle tapfer angereist sind. Folkeboot-Treffen? Machen
wir nächstes Jahr wieder!
Der
nächste Termin, den ihr euch merken müsst, ist aber
der
3. KLINKER CUP: Anreise am Montag, 5. August, und zwar nach
Søby. Lustige Geschicklichkeitsspielchen wie
Rückwärts- und Seitwärts-Segeln, sowie
Kochwettbewerb
ohne Nudelgerichte, finden statt vom 5.-7. August, je nach Wind
„wandert“ die Veranstaltung dabei durch die
Südsee,
damit „richtiges“ Segeln nicht zu kurz kommt.
Anmeldung erbeten nebst zehn Euro für Orga und das
Begrüßungsbier: t.bruske(at)gmx.de
Die Wildgänse unternehmen als Nächstes wieder einen
gemeinsamen Ausflug und hoffen auf günstigen Wind.
weiter: Bootsballett
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Tage im Grünen