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Der
tägliche Siebtknoten
An jedem Segeltag zumindest ein Peak von sieben Knoten über
Grund – ihr ahnt schon, dass wir reichlich Wind hatten. Als
wir einmal nur 6,9 Knoten schafften, wurde es prompt mächtig
zäh. Und dann passierte plötzlich alles
gleichzeitig…
Juni 2025
Der
große Pustefix bleibt stets in unserer Nähe. Unser
Ziel ist auch auf dieser Reise wieder, nicht mit Vollzeug in DMIs
dunkelblaue Böen zu geraten, sondern den obligatorischen Sturm
in einem schönen, gemütlichen Hafen abzuwettern. Um
die mittelblauen Böen (11-12 m/s) kommen wir nicht herum. Die
Törnplanung erfordert Gehirnschmalz und Flexibilität
– bei diesen Bedingungen ist das Timing wichtig, und wir
werden jeden Joker ziehen müssen, der im Ärmel zu
finden ist. Denn wir schippern nicht nur gemütlich in der
Dänischen Südsee herum. Unser Ziel ist die felsige
Wunderwelt nördlich von Göteborg, wo man nicht
für fünf Minuten geradeaussegelt, immer etwas zu
gucken hat – und auf keinen Fall einen Stein treffen darf. Um
es vorwegzunehmen: Nicht nur kommen alle heil durch, sondern es wird
rundum eine unserer gelungensten Reisen. 
Doch
der Reihe nach: Im sonnigen Arnis stehen acht vertraute Gäste
und ich voller Tatendrang auf dem Steg und feiern das Wiedersehen,
begleitet von siebener Böen aus Ost. Die Sommerreise soll
endlich, aber kann vorerst nicht, losgehen. Als sich die Böen
am späten Nachmittag mäßigen, huschen wir
schnell noch rüber nach Maasholm. Es ist ein kurzer, aber
kompletter Segeltag: Brückenpassage, Kreuz durch Rabelsund,
kollektives Anlegen. Bei Stegbier und Streuselkuchen zelebrieren wir
ihn, und ich begreife, wie gut, hilfreich und wichtig der heldenhafte
Viermeilenschlag war: Ein Hafentag gleich zu Beginn hätte die
Vorfreude gedämpft, womöglich einen ersten Hauch von
Hafenkoller aufkommen lassen. Ich bin eben noch gemütlich nach
Kappeln geradelt, um den Proviant zu vervollständigen, nun bin
ich auf dem Weg in mein geliebtes Lieblingsrevier, begleitet von meiner
hölzernen, schwimmenden Familie und Gästen, auf die
ich mich seit September gefreut habe. Wir sind gesegelt, alle sind
wieder mit ihren Booten vertraut, nach diesem gelungenen Auftakt sind
wir bereit für weitere Abenteuer. 
Ernst
und ich kennen uns seit zehn Jahren, für ihn ist es die
fünfte Wildgänse-Sommerreise, immer mit wechselnden
Familienmitgliedern. Diesmal begleitet ihn Bruder Eckehard zu Beginn,
Schwester Inge wird ihn nach einer Woche ablösen. Gerhard war
einmal mit in den Westschären und danach in Blekinge. Bisher
war er immer einhand mit Martha unterwegs, nun hat er Holger zum
Mitsegler, das einzige neue Gesicht in der Gruppe. Angie und Karsten
sind seit Jahren Fixpunkte in unserem Buchungskalender. Ralf und Steffi
habe ich während der Pandemie kennengelernt, als sich nach
Absage der Sommerreise eine Spontanflottille durch die
Dänische Südsee ergab. Ralf war mit Sohn Timm vor
drei Jahren schon mit in den Schären. Die meisten Teilnehmer
kennen sich untereinander schon, ihr Boot sowieso – es kann nur harmonisch
und seglerisch hochwertig werden. Den Außenborder haben wir
nur für die Brücke gebraucht – in dieser
Gruppe plant niemand, ihn regelmäßig oder gar
täglich zu benutzen. 
Dementsprechend
legen am späten Sonntagvormittag alle unter Segeln ab. Die
gewittrige Kaltfront ist durch (sagt das Wetterradar, uns hat sie
komplett in Ruhe gelassen). Mit weiteren Schauern ist zu rechnen,
Böen aber nur bis 12 m/s. Heute geht es nur nach Fyns Hav.
Nicht schön ist es dort oder gar idyllisch, sondern
zweckmäßig: Es ist ja schon spät am Tag,
und irgendwann nach 16 Uhr wird der Wind fast einschlafen, weiter
werden wir so oder so nicht kommen. 
Zunächst
will es gar nicht so richtig loslaufen, doch auf dem Bredgrund vor der
Flensburger Förde haben wir West 5 und eine kräftige
mitlaufende Strömung. Mit einem Schrick auf den Schoten fahren
wir bis Mommark mit sieben Knoten über Grund. Auf der letzten
Meile sind es nur noch 0,7 Knoten im beständigen Regen. Auch
mal weniger. Auch mal 0,2 Knoten. Dann wieder 0,7. Dann sogar 1,1. Kurz
vor der Außenmole, hinter der Frieda schon verschwunden ist,
finde ich das schnell genug. Im Vorhafen markieren zwei Pfahlreihen,
eindeutig rot und grün angemalt, den Weg zum Innenhafen und
mahnen zu Abstand zu den Molen. An einem dieser Pfähle wartet
Frieda darauf, dass Paula den Hafen auskundschaftet. Ernst hat die
Farbgebung noch nicht erfasst und weist einer einlaufenden Yacht einen
Weg zwischen Pfahlreihe und Mole. Also dort, wo es flach wird
– die Yacht kommt fest. Aus Ernsts Sicht ist das ein
unverzeihlicher Fehler, den er wiedergutmachen muss und wird. Aus
Friedas Sicht dient das Ganze dem Zeitvertreib. Aus meiner Sicht darf
ich bei einem überaus lustigen Spielchen nicht mitspielen.
„Schräglage“, empfehle ich im
Vorbeisegeln. Frieda krängt die Yacht frei und segelt dann
hinter Paula her in den Hafen. Wir legen an. Alles ist nass, doch das
ist schnell vergessen – der Regen hört auf, ein
Sonnenstrahl zeigt sich, und Eckehard bedankt sich stellvertretend
für alle für den tollen Segeltag. 
Montag
ist prächtiger Sonnenschein. Kurz nach dem Auslaufen ist
dennoch schon wieder alles nass – hoch am Wind bei
fünf Beaufort und beträchtlicher Dünung
bleibt das nicht aus. Der Nordwest dreht
erwartungsgemäß bald auf West, wir kommen
nordwärts gut voran, ohne total gegen die Hoppelwelle anbolzen
zu müssen. Westlich an Bågø vorbei wird
es kurzzeitig kriminell: Wir müssen Höhe kneifen, und
die mitlaufende Strömung erzeugt eine extrem steile Kackwelle.
Paula hebt ein paarmal ab und kracht ins Wellental. Eigentlich kenne
ich das schon: Am ersten Tag der Sommerreise 2012 (auch sie
führte in die Schären) war das hier genauso, und
damals dachte ich, ein Netz statt des Vorsegels hätte uns
sicher einen schönen Fang beschert. Der Weg östlich
an der Insel vorbei wäre also besser gewesen, das sollte ich
mir für die Zukunft gut merken, aber letztlich klappt es ja, und wir fallen wieder ein paar
Grad ab. Was ich nicht ahne: Unter der Backbordkoje hebt eine Flasche
Multivitaminsaft ab und fällt auf einen Nietkopf. Feine Risse
entstehen – und ein Glasspan, falls es so etwas gibt, guckt
aus dem Korpus heraus. Als ich Tage später durstig nach einer
vollen Flasche greife, schneide ich mir böse den Finger auf. 
Im
Snaevringen dann schiebt uns die Strömung gehörig. Zwischen der
Autobahnbrücke und Striben haben wir wieder zehn Minuten lang
unseren Siebtknoten, und dann sind wir auch schon am Ziel: Dem Gamle
Havn von Fredericia. Ich war hier noch nie (Hurra! Mal wieder ein neuer
Hafen!!), und er ist in keinem Hafenführer verzeichnet. Der
NV-Verlag gönnt ihm einen Satz, aber keine Skizze. Zu finden
ist er leicht, auf den Fotos im Internet sieht er hübsch aus
und liegt direkt an der Innenstadt. Vor allem verspricht er bei dem
böigen Westwind reichlich Abdeckung. Was ich nicht
weiß, als Paula mutig mit dem Großsegel
reinfährt, ist, wieviel Platz da ist. An sich genug, wie sich
herausstellt, doch der Aufschießer gerät dynamisch,
besser wäre wohl gewesen, nochmal abzudrehen, aber es geht
nichts kaputt, allenfalls hat unser spöttischer Arnisser
Stegnachbar etwas, worüber er ein bisschen spotten kann. Den
Chartergästen empfehle ich Einlaufen mit der Fock, und das
klappt super. 
Außer
zentral und bei Westwind geschützt ist der Hafen angenehm
schraddelig und doch modern. Fredericia? Eine dänische
Provinzstadt eben, die an Bedeutung eingebüßt hat
und sich neu finden muss. Anders als das superschöne
Middelfart gegenüber liegt die Stadt nicht direkt am Wasser,
sondern da ist der ganze Öl- und Handelshafen vorgebaut. Es
fehlt an Flair. Wiederum gibt es in Middelfart drei Häfen, von
denen nur der Kongebro Havn empfehlenswert ist, und dieser hier ist es
auch. (In beiden Städten gibt es zusätzlich noch eine
fürchterliche Riesenmarina. Und die drei Häfen
Middelfarts sind beide neben dem Westwind auch der Strömung
ausgesetzt, da wären heute - wie meistens - Nervenstärke und Können gefragt.)
Nächster
Halt: Tunø. Südwest 4 Böen 5, gelegentlich
6 – ausgebaumt wird es eine schnelle Reise, sobald wir die
gegenläufige Strömung verlassen haben. Beim Surfen
kommen wir mehrfach über sieben Knoten. Gar keine Frage, schon
wieder ist das ein toller Segeltag. Letztes Jahr um genau diese Zeit
waren wir auch auf Tunø, der Hafen halbleer. Diesmal sieht
es erheblich voller aus. Das ist ein wichtiger Indikator, wenn man mit
fünf Booten unterwegs ist: Wie viele sind jetzt, kurz vor der
Hauptsaison, auf Törn? Muss ich jeden Nachmittag um
Liegeplätze bangen, oder können wir unbeschwert
einlaufen? 2025 war das Frühjahr kalt, nass und windig. Ganz
viele haben ihren Törn früher abgebrochen oder gar
nicht erst begonnen, deshalb war es erkennbar leer auf dem Wasser und
in den Häfen. Dieses Frühjahr habe ich ebenso kalt,
nass und windig empfunden und wundere mich ein wenig. 
Wir
fahren einen Aufschießer in der Einfahrt. Ich berge das
Groß, binde Paula fest und sehe mich kurz um. Aha, da in der
Puzzlecke…das muss gehen. Zwar ist die Pier nur für
über zwölf Meter, aber wenn wir ein Päckchen
bilden, sind wir ja über dreißig Meter. Ich ziehe
Paula an Vor- und Acherleine hin, und mit den Schwestern machen wir es
genauso, Aufschießer in der Einfahrt und den Rest von Hand.
Mit Oli klappt das am besten: Angie gibt mir die Vorleine und birgt das
Groß, Karsten steigt mit der Achterleine über, das
Boot bleibt die ganze Zeit langsam in Fahrt. „Ich
würde eins mittrinken“, sage ich, bevor jemand das
Wort „Anlegebier“ erwähnt hat. Es wird
aufgetischt, denn wir liegen ja gleich an den Tischen. Derart
gestärkt bestehe ich den empfehlenswerten Balancierparcours
auf dem Spielplatz. 
Tunø
ist eine wunderschöne Insel. Letztes Jahr – Ernst,
Karsten und Angie waren dabei – hatten wir ausgiebig Zeit zum
Landgang. Diesmal nicht: Wir wollen in Grenaa sein, bevor es ruppig
wird. Wobei es genaugenommen nördlich von Grenaa den ganzen
Tag schon ruppig ist, und die Stadt kriegt ein bisschen davon ab. Um
neun Uhr legen wir ab, und das ist nicht ganz einfach: Paula, Oli,
Frieda und Salty liegen im Päckchen, direkt daneben in Luv
eine fremde Yacht. Martha liegt hinter Paula. Und hinter Martha liegt
noch ein Spätankömmling, der auch keine
zwölf Meter lang ist. Um den müssen wir herum. Der
Wind hat gedreht und ist auflandig. Ich habe schon die halbe Nacht
damit verbracht, keine Lösung für dieses Problem zu
finden, doch jetzt ist es ziemlich schnell völlig klar: Drei
verschiedene Wege führen aus der legerwallerigen Puzzleecke,
und alle erfordern Teamarbeit. 
Als
Erstes müssen wir Martha loswerden. An der Vorleine ziehen wir
ihren Bug entlang der Hecks ihrer Schwestern, geben ihr mit einer von
Achterdeck zu Achterdeck weitergereichten Achterspring Schub, bis sie
durch den Wind ist, abklappt und vor Topp und Takel lostreibt. Holger
setzt die Fock, Gerhard beschließt, kühn gleich im
Hafen auch das Groß zu setzen. „Schön,
wenn was klappt“, sage ich grinsend. Für Salty habe
ich einen anderen Plan: Mit der von Frieda aus bedienten Vorspring
bekommt sie Schwung achteraus, die Ruderlage dreht ihr Heck in den
Wind, mit ein bisschen Wriggen geht sie auf Kurs. Fock hoch, fertig.
Mit Frieda machen wir es genauso. Der verbleibende Rest –
Angie, Karsten und ich – dreht Oli und Paula im
Päckchen um 180 Grad. Ein kurzer Sprint mit der Achterspring
gibt sowohl den nötigen Schwung als auch die richtige Drehung,
kurz wriggen, ein bisschen treiben, bei Gelegenheit die Fock hoch
– kontrollierter und sicherer kann man aus einer
Legerwallsituation nicht ablegen. Alle fünf Manöver
haben tadellos funktioniert. Ein bisschen stolz bin ich auf die
jeweilige Idee, die darauf beruht, dass ich inzwischen genau
weiß, was ein Folkeboot macht, wie es sich verhält,
welche Unterstützung es braucht, um zuverlässig
loszutreiben. Aber ich bin auch stolz auf die Gäste, die
dieses Wissen nur in Teilen besitzen und seltener praktizieren, aber ihren Part tadellos gespielt haben
– da wurden wortlos Leinen weitergereicht, und jeder wusste,
wie er daran ziehen musste. Egal, was noch passiert, schlecht kann der
Tag nicht mehr werden. 
Zunächst
ist da eine holperige Dünung. Plötzlich ist sie weg,
keine Ahnung warum. Mitlaufende Strömung, zeitweise sieben
Knoten über Grund - aha, wir liegen gut in der Zeit. Heute
zeigt sich aber besonders stark, wie überladen Paula ist.
Durchweg mit guten, folkebooterfahrenen Seglern besetzt, sind die
Charterboote erheblich schneller. Wir werden einen Trick brauchen, wenn
die Gäste nicht ewig auf uns warten sollen, um nicht auf eigene Faust
anlegen zu müssen – Anlegeservice gehört
schließlich zum vertraglich vereinbarten Angebot. Zwischen
Djursland und Hjelm wird es böiger. Und böiger. Und
dann noch böiger. Und dann wieder nicht. Und dann wieder doch.
Auf die letzten Meter haben wir wie befürchtet die
dunkelblauen Böen, die wir vermeiden wollten. Heute ist da
nunmal nichts zu machen. Bei halbem Wind gibt es auch keine
Möglichkeit, den Druck rauszunehmen. Gerne würde ich
anluven, doch da ist der Strand. Paula wählt nämlich
eine Abkürzung dicht unter Land, während die
Schwestern im großen Bogen östlich an allen Untiefen
vorbeisegeln und danach nochmal richtig Höhe laufen
müssen (oder dürfen). Unser Trick funktioniert: Wir
treffen Martha und Frieda heil und bestens gelaunt vor der
Hafeneinfahrt. Nun müssen wir nur noch einlaufen,
Plätze finden und anlegen. 
Martha
macht vor, wie das geht: Sie segelt mit Vollzeug in den Hafen. Das
Groß geht runter, dann die Fock, dann bewegt der Mast sich
nicht mehr – sie ist sicher irgendwo fest. Ich habe den
Außenborder in Erwägung gezogen. Nun berge ich vorm
Hafen die Fock, wie ich das immer mache, und dann kreuzt Paula rein,
aha, gleich eine Windstärke weniger, sie wendet, guckt sich
um, findet einen perfekten Pfahl für einen gelungenen
Aufschießer. Plätze für alle am gleichen
Steg gibt es auch. 
Über
Grenaa wiederhole ich gerne, dass ich den Hafen beim ersten Besuch
nicht ausstehen konnte und seitdem liebgewonnen habe. Das ist
unumgänglich, denn immer wieder landet man hier: 2012 waren
Paula und ich viermal hier, keinmal davon war vorher geplant. 2019 dann
die Grenaaer Woche, als wir fünf Tage lang eingeweht waren.
Diesmal ist nach vier strammen Segeltagen eine Pause nicht
unwillkommen, Zwar pustet es, doch die Sonne scheint, und der
Fischladen zieht die Gäste magisch an. Abends nutzen wir die
vorzüglichen Faszilitäten zum Grillabend. Fisch,
Fleisch und Gemüse sind ausgezeichnet, doch mein Favorit ist
Steffis Salat mit Grünzeug, Tomaten, Mozzarella und
– als Clou – köstlichen Erdbeeren! 

Anholt
ist das nächste Ziel. Reichlich Kopfzerbrechen:
Angekündigt war mal Nordwest mit Böen 6, abnehmend
Böen 5, und das ist totaler Mist, weil man dann mit
Rückenwind zwischen die Stege fährt, reichlich Schub
bekommt und irgendwie so eine blöde Heckboje erwischen muss,
wofür es in einem latent vollen Hafen auch nur einen einzigen
Versuch gibt vor dem Versicherungsfall. Paula und ich waren bisher sechsmal auf Anholt, davon
dreimal in Begleitung der Charterboote. Einmal haben wir bei schwachem
Ostwind am Kopf der Zwischenmole vor Heckanker gelegen. Viermal ging
etwas kaputt. Nur vor drei Jahren war es bei einschlafendem Wind im
halbleeren Hafen totales Easygoing. Danach sieht es beim Briefing vor
dem Grillen nicht aus. Ich habe schon in Erwägung gezogen,
südlich der Insel zu ankern und durch die Nacht
weiterzusegeln, sobald es dort nach einem Dreher auf West unruhig wird.
Die kürzeste Nacht des Jahres segelnd zu verbringen,
wäre eine großartige Sache – doch das
Thema erledigt sich mit einer Prognose von vorübergehend
siebener Böen. 
Wir
besprechen also den Baukasten von Möglichkeiten, vor
Topp und Takel treibend die Fahrt zu reduzieren: Pütz als
Treibanker, Vollruderausschläge, Motor im
Rückwärtsgang. Ist alles nicht nötig: Wir
legen gesittet ab, segeln mit erneut bis zu sieben Knoten nach Sicht
auf den Windpark zu und mitten durch. Dann sind es nur noch zwei bis
drei Windstärken, aber wir sind ja fast schon da. Im Hafen
weht ein laues Lüftchen, er ist höchstens zu einem
Viertel belegt, fünf Folkeboote segeln und wriggen unbeschwert
umher und suchen sich elegant ihren Lieblingsplatz aus. Wir
wählen einen freien Stegkopf: Niemand kann uns mehr zuparken
im Hinblick aufs Ablegen. Wenn man im Wesentlichen an feste
Pfähle gewöhnt ist, ist es total witzig, sich an so
einer wabbeligen Boje festzuhalten. 
Anholt
ist nicht einfach nur einen Besuch wert. Der Hafen hat Flair,
die Insel ist einzigartig, die Schönheit der Natur atemberaubend.
Spätestens der Blick auf den inzwischen vertrauten Strand
bestätigt mir das. Den Hafentag hier zu verbringen statt in
Grenaa, wäre umwerfend gewesen statt nur okay an der Grenze zu
überaus gelungen – aber das konnten wir uns nicht
aussuchen. Unser Ziel sind und bleiben die Schären.
Ausgiebiger Landgang ist nicht drin, ich schicke die Gäste um
der Aussicht Willen auf den Nordbjerg und gönne mir
Fish&Chips und ein gezapftes Tuborg Classic. Es ist auch gar
nichts kaputt gegangen – Angie würde sagen:
„Wir haben schon wieder kein Boot gerammt.“ Im
Gegenteil, es läuft total fluffig. Bisher habe ich einen
Benzinschlauch in Friedas Außenborder mit einem neuen
Kabelbinder fixiert, weil da Benzin austrat, und einen Tenaxknopf an
Olis Fock wieder festgezogen. Die beiden Ringsplinte, die auf Saltys
Deck herumlagen, haben wir wieder montiert, bevor alles
auseinanderflog. Marthas Außenborder machte zweimal Zicken,
doch es handelte sich um Bedienungsfehler. Und wir genießen
den Abend vor Mittsommer auf einer der schönsten Inseln, die
man in der Ostsee finden kann. 
Dann
geht es weiter nach Varberg. Nachts Böen sieben,
morgens noch Böen sechs, es steht ein bisschen Welle auf der
Hafeneinfahrt. Die modernen Yachten, die vor uns auslaufen, lassen
vermuten, dass es da gehörig hoppelt und knallt. Nachmittags
nur noch zwei bis drei Beaufort im Verlauf der Strecke – ich
fände acht Uhr ablegen ideal und verkünde neun, doch
dann beschließen wir, noch eine Stunde zu warten, bis der
Wind nachlässt. Die Welle ist natürlich
unverändert. Das Ablegen gelingt…welches ist wohl
das richtige Wort? „Smooth“ finde ich treffend:
Beide Segel hoch, Schoten dicht, ein bisschen abstoßen
– fährt schon. Einfach ganz von selbst. Ich stehe am
Want, recke die Arme in die Höhe und bin begeistert. Die
Gäste auch, und auch ihnen gelingt dieses Manöver.
Sanft ein bisschen hoch und runter geht es aus der Einfahrt. Eine oder
zwei Stunden früher bei einer Windstärke mehr
wäre das genauso gut gegangen. Aber ist jetzt so. Wir segeln
uns frei von den Untiefen, gehen auf Nordkurs, dann Nordostkurs.
Reichlich Dünung, guter Speed – doch das Maximum
sind nur 6,9 Knoten. Nicht 7. Es wird zäh werden! 
Mit
Ernst unterhalte ich mich viel über die
Vorzüge und Nachteile – nein: die Eigenschaften
– verschiedener Bootstypen und -klassen. Heute beim Auslaufen
hat sich zum Beispiel im Vergleich mit der erbärmlich
hoppelnden und hüpfenden Pogo gezeigt, wie gut Folkeboote mit
der Ostseewelle klarkommen. Größere Yachten haben
natürlich den Vorteil, dass sie auch mal acht Knoten oder mehr
schaffen und dem Ziel deutlich näher sind, wenn der Wind
irgendwann schwächelt. Aber viele von denen werfen sowieso
gleich den Diesel an, wenn ihren etwas nicht gefällt
– damit wollen wir uns nicht vergleichen. 
Zwei
Drittel der 35 Meilen sind geschafft. Nach den 6,9 Knoten zu
Beginn waren es lange viereinhalb, dann um die drei. Mächtige
Dünung, alles schlägt und klötert, die Sonne
knallt, von der Küste ist noch nichts zu sehen. Kein Anzeichen
einer Seebrise oder sonstigen Windes. Kein Netz, um in der
Internetprognose Hoffnung zu schöpfen. Zwei Knoten. Paula und
ich beschließen, den Segeltag für beendet zu
erklären und dem neuen Außenborder Betriebsstunden
zu schenken. Frieda und Salty folgen dieser Idee. Martha und Oli sind
ein bisschen zurück, hören den Funkspruch nicht oder
gehorchen ihren trotzigen Gästen – sie segeln
weiter. 
Das
Groß bleibt oben. Zunächst schlägt
es – die leichte Brise ist gegenan -, dann steht es und zieht
ein bisschen mit. Nach zwei Stunden sind wir an der Ansteuerung. Da ist
Gekräusel, da sind andere Boote munter segelnd – das
machen wir auch und gönnen uns noch eine Dreiviertelstunde
Spaß nebst Anlegen unter Segeln. Halb sieben scheint mir eine
vernünftige Zeit, den Hafen zu erreichen. Inge steht winkend
auf der Mole – heute wird sie ihren Bruder ablösen.
Wir beweisen, dass auch Folkeboote mit ihrem
Außenbörderchen genauso schnell motoren
können, wie sie andernfalls segeln würden!
Brauchen
sie aber gar nicht zwingend – diesen Beweis
erbringen Oli und Martha. Nach Stunden kommen sie pünktlich
zum Sonnenuntergang in den Hafen gesegelt. Oli schafft es mit dem
letzten Schluck Wind an den Liegeplatz. Martha muss wahrhaftig noch die
hundert Meter um die Innenmole herum motoren. Es ist Mittsommer, und
wir sind in Schweden! Eigentlich müsste das gefeiert werden,
doch kaum sind die beiden festgebunden, machen wir sofort Briefing
– morgen ist ein langer Tag mit frühem Auslaufen.
Uns sitzt da ein bisschen viel Wind im Nacken, und wir sind ja
längst nicht am Ziel. Ja, in Schweden, das schon, aber wir
wollen doch in die Schären. 
Von
Varberg mit Nordkurs in leichter Morgenbrise zeigen diese sich
zunächst locker verteilt, allmählich markanter, bis
sie dreißig Meilen weiter nördlich die Landschaft
eindeutig prägen. Der Wind nimmt zu, die Strömung
läuft mit, die letzte Stunde sind es fast kontinuierlich
unsere obligatorischen sieben Knoten, und dann legen wir in
Donsö an. Dorthin haben wir uns vor drei Jahren schon vor
abendlichem Unwetter geflüchtet. Das Anlegen ist diesmal etwas
chaotisch. Gerade ist großes Kommen und Gehen, und aus einem
Grund, den ich nicht herausfinde (Strömung?) sind die ersten
beiden Aufschießer erheblich zu schnell. Während
Paula kringelt vor dem dritten Versuch, legt eine andere Yacht am
leeren Steg an. Unser Aufschießer ist diesmal perfekt
– doch leider lassen die Leute auf dem Steg die Yacht
zurücklaufen, anstatt sie nach innen durchzuziehen. Als ich
rufe, gibt der Rudergänger Voraus, das Schraubenwasser
drückt Paula weg. Beim nächsten Kringel ist es dann
Oli, die uns in die Quere kommt. Endlich legen wir wirklich an.
„Sorry“, sage ich zu der perplexen Dänin,
die die Vorleine annehmen wollte, „but I had to do it my
way.“ My way, das bedeutet einen Sprung auf den Stegkopf, um
dann anderthalb Knoten Restfahrt von Hand aufzustoppen. Jemanden, der
an der Vorleine zieht und im Weg steht, konnte ich dabei nicht
brauchen. 
Donsö
liegt in den südlichen Ausläufern
des Schärengartens und gehört zum
Speckgürtel Göteborgs, mit
Fährfährbindung in die Stadt. Angie und Karsten
freuen sich sehr, erneut die schöne Insel zu besuchen. Ich
kann dazu gar nichts sagen – vor drei Jahren war ich
anderweitig beschäftigt. Der Hafen ist bestenfalls okay bis
nett, aber wir sind ja nicht nur zum Spaß hier, sondern auch
heute sind abends und nachts Regen und Wind, möglicherweise
Blitz und Donner zu erwarten – das möchten wir nicht
gerne an einer Schäre abwettern. Letztlich vergeht eine Stunde
damit, dass alle an meinem Laptop sicherheitshalber ihren Liegeplatz im
nächsten Hafen reservieren. Kaum ist das erledigt, setzt
leichter Regen ein, der mich auch diesmal vom Landgang abhält.
Abends wird es wieder trocken, morgens ist perfekter Segelwind. 
Auslaufen
kurz vor sieben hat natürlich einen triftigen
Grund – heute kommt es mal wieder aufs Timing an: Am
frühen Nachmittag erwarten wir zuerst eine gewittrige
Kaltfront, nachfolgend für mindestens 24 Stunden
Sturmböen bei strahlendem Sonnenschein. Gegen 15 Uhr kommt die
Front, mit einer Stunde Puffer müssen wir spätestens
14 Uhr, besser 13 Uhr im Hafen sein. Wie lange brauchen wir
für 24 Seemeilen? Zwischen dreieinhalb und sieben Stunden.
Steffi entgeht dieses Spektakel, sie hat einen wichtigen Termin zu
Hause und reist mit der Fähre ab. Ralf ist von nun an
Einhandsegler. Wir legen kommod ab in einer leichten Morgenbrise und
kreuzen zum Hauptfahrwasser. Als wir den Rivö Fjord queren,
den Hauptzugang nach Göteborg für die
Großschifffahrt, sind wir schon bei Süd 4
Böen 5. Wieder eine schnelle Reise also, wieder mit
Siebtknoten, als wir das Chaos aus Schären, Orten, sausenden
Fähren und Fahrwasserknicks zwischen Rivö Fjord und
Kallö Knippla verlassen und wieder etwas offeneres Wasser
haben. 
Die
fünf Boote segeln irre dicht zusammen. Bei fast jeder
Gruppe wäre mir das ganz und gar nicht geheuer, mit diesen
Gästen ist es total cool. Alle passen aufeinander auf, jedem
ist klar, dass eine kleine Unaufmerksamkeit üble Folgen haben
könnte. Beim Gegenverkehr kommt das wilde Spektakel gut an,
wir werden fotografiert und bekommen den Daumen nach oben gezeigt.
Unser Weg führt östlich an
Klåverön vorbei und dann von Südwesten nach
Marstrand. In diesem sehenswerten Ort können wir den
unvermeidlichen Hafentag mehr als gut verbringen. Ich bin kein
großer Freund im Voraus gebuchter Liegeplätze, doch diesmal
macht es Sinn: Es war gestern schon sicher, dass wir ankommen
würden, doch mit dem Wetter im Nacken hätten wir
jetzt keine Zeit, eine Alternative zu finden. Zumindest kann ich den
Segeltag viel besser genießen ohne die Sorge um
Liegeplätze im Hintergrund. Wir wissen sogar schon, welcher
Steg und welche Seite. 
Die
Großsegel sind bei allen geborgen, die Charterboote
halten Abstand, um Paula vorzulassen - wir müssen nur noch
anlegen. Paula segelt mit der Fock bei halbem Wind und vier Knoten ins
Becken. Scheint mir extrem schnell, also Fock runter. Leider doch etwas
zu früh, ich muss gehörig wriggen, um ans Ziel zu
kommen. Martha folgt uns. Zunächst viel zu schnell, Holger
reißt die Fock unter, Gerhard dreht das Boot in den Wind
– Martha bleibt sofort stehen. Wriggen lässt sich da
nichts, also Fock überholen und wieder hoch damit, raus aus
dem Hafen und neuer Anlauf. Eine dunkle Wolke verdeckt die
Mittagssonne. Und dann passiert alles gleichzeitig. 
Marthas
zweiter Anlauf klappt besser. Holger steigt aus dem Cockpit. Ich
erwarte, dass er mir die Vorleine zuwirft. Doch Gerhard
befürchtet,
erneut zu verhungern und wegzutreiben – er schickt Holger auf
den Fingersteg. Dass die Dinger beim Betreten ein Stück
eintauchen, habe ich beim Briefing erwähnt, doch wie jeder
kann auch Holger sich nicht jede Detailinformation merken und ist nicht
darauf gefasst. Er hat es auch zu eilig, um darüber
nachzudenken, dass das nasse Holz voller Moose und Flechten rutschig
sein dürfte. Er springt. Tänzelt. Rutscht. Und
fällt ins Wasser. Ich schnappe mir erstmal Marthas Vorleine.
Kurz darauf habe ich auch Saltys Vorleine in der Hand. Oli kommt dazu,
wenn schon so dicht hinter Salty, dann zum Glück mit laufendem
Motor, denn in ihrem Liegeplatz hängt Holger japsend am
Fingersteg. 
Ralf
und Gerhard beschäftigen sich damit, Achterleinen
anzuknüppern. Völlig unnötig jetzt: Die
Boote liegen im Wind, können weder schwojen noch vertreiben -
nur kann ich an meinem Standort keine der Vorleinen belegen, mich also
nicht vom Fleck bewegen. Holger hält sich sicher fest, aber er
kann nicht ewig im Wasser bleiben. Ich brauche Unterstützung.
Kurzzeitig bin ich ein bisschen gestresst. „Lasst das nach
jetzt und kommt an Land“, brülle ich. Eine halbe
Minute später sind wir immerhin schonmal so weit, dass wir die
Boote provisorisch anbinden können. Ralf und ich haben nun
beide Hände frei, um uns im Holger zu kümmern. Unter
seiner Öljacke löst die Rettungsweste aus.
„Was ist das denn jetzt?“, fragt er. Ralf und ich
schnappen uns jeder einen Arm, zerren ihn ein Stück in die
Höhe. Seine Füße finden Halt. Erleichtert
steht er auf dem Schwimmsteg. Wie zum Hohn setzt
großtropfiges Geprassel setzt ein. Holger ist sowieso
komplett nass – ich lasse ihn stehen und düse unter
Deck, um mir Ölzeug anzuziehen, kichernd und prustend nach all
der Aufregung. 

Kaum
haben wir alles aufgeklart und die Kuchenbuden aufgebaut, zieht
erstmal die Front durch mit einem herzhaften Gewitterschauer. Es ist 13
Uhr – unser Timing hat uns wieder einmal nicht im Stich
gelassen. Kaum sind die Wolken durch und die Sonne kommt raus, beginnt
es wie der Teufel zu pusten.
Sturmböen von der Seite? Ich bestehe darauf, dass die
Kuchenbuden spätestens zum Schlafengehen abgebaut werden. Bei
einem abendlichen Spaziergang müssen wir uns gehörig
gegen den Wind stemmen, um voranzukommen. Die Welle ist gar noch nicht
spektakulär – sie braucht ein paar Stunden Sturm, um
sich mit dem langen Anlauf von der Nordsee her vollständig auf
die angekündigten vier Meter aufzubauen. Wir entdecken aber
auch einen hübschen Weg durch kleine Täler und
tapfere Wäldchen rauf in den äußeren
Festungshof und von dort zurück zum Hafen. 
Nicht
immer ist ein erzwungener Hafentag das Highlight der Reise
– diesmal ist es der Fall. Zweimal haben wir in Marstrand
Crewwechsel gemacht, der letzte ist sieben Jahre her. Das bedeutet
auch: Sieben lange Jahre musste ich ohne die weltbeste Konditorei
auskommen. Natürlich habe ich sie den Gästen
empfohlen, Gerhard kommt mir freudestrahlend entgegen, als ich in der
Morgensonne entlang der Promenade dorthin pilgere. Allein die Promenade
ist schon sehenswert, der historische Ort mit seinen hübschen
Holzhäusern und gepflegten Vorgärten sowieso. Ich
erbeute ein Brot, zwei Stück Wienerbröd Vanille und
zwei Hefeteigstücke mit Apfelfüllung. Um elf bricht
die gesamte Gruppe zu einem gemeinsamen Spaziergang um die Insel auf. 
Der
Uferweg ist vorbildlich ausgebaut und beschildert. Die Brandung
ist…nein, nicht spektakulär, sie ist
unbeschreiblich. Stellenweise kommen wir so dicht ran, dass wir
geduscht werden. „Tief einatmen, das ist gut für
euch“, empfehle ich. Alle fünf Fotos muss die Linse
von der Salzgischt befreit werden. Während an den
äußeren Felsen der Teufel los ist (hier sind wir
gestern noch seelenruhig reingesegelt), zeigt sich kaum
fünfzig Meter zum Inselinneren das eine oder andere friedliche
Biotop mit Seerosen in voller Blüte. Es ist ein Erlebnis, wie
man es nicht jede Woche geboten bekommt – für uns
alle ist es das erste genau dieser Art. 
Nach
so viel Wind und Lauferei pausieren wir an der warmen, sonnigen
Leeseite von Marstrandsö und machen uns gierig über
Karstens Erdnüsse her, bevor wir im Inselinneren entlang von
Grotten, Wäldchen und Aussichtspunkten zur Festung aus dem 17.
Jahrhundert aufsteigen. Heute ist sie eine prägende Landmarke
und weist aus allen Richtungen den Weg. Ihre Historie wäre
allein schon einen ausführlichen Bericht wert: Bau,
strategische Bedeutung, Belagerungen, aber auch die Geschichte der hier
inhaftierten Sträflinge. Einer davon war Lasse-Maja, ein Dieb
in Frauenkleidung und Held in der schwedischen Legendenbildung. Die
Fähre, die Marstrand mit Koön verbindet,
heißt nach ihm, und es gibt auch eine entzückende
Kinderserie, in der die zehnjährigen Lasse und Maja ein
Detektivbüro betreiben und knifflige Fälle
lösen. Wir hingegen sind vor allem beeindruckt von dem Wind,
der hier, hoch über dem Wasser, nochmal gute zwei
Windstärken doller bläst – einfach
stehenzubleiben, ohne sich irgendwo anzulehnen oder festzuhalten, ist
völlig unmöglich bei geschätzten 11
Beaufort. 
Inge
spricht aus, was alle denken: Wir sind müde und
erschöpft und haben genug erlebt, um kein weiteres
Kulturprogramm mehr aufnehmen zu können. Ich kaufe schnell
noch frischen Fisch fürs abendliche Curry, dann krieche ich
für zwei Stunden in die inzwischen im Schwell merklich
schaukelnde Koje. Am nächsten Tag können wir wieder
segeln, allerdings nicht ganz beliebig. Fürs abendliche
Briefing brauchen wir einen plausiblen Plan. Und den setzen wir dann
auch am Mittwochmittag um. 

Ich bin mir bewusst, dass hauptsächlich ich derjenige bin,
der dazu neigt, das Gelingen einer Reise nach Bohuslän mit der
Anzahl der an einer Schäre verbrachten Nächte zu
messen. Den Umständen und Windverhältnissen
geschuldet, kam das bisher zu kurz – und das ist
überhaupt kein Manko, wir hatten schönstes Segeln und
sichere, gemütliche Häfen, aber um die Sache rund und
komplett zu machen, habe ich mir zum Abschluss zweimal
Schärenankern vorgenommen. Der Sturm ist vorbei, es sind nur
noch West 4 Böen 5-6. Donnerstag kommt der Wind aus
Südsüdwest, wir brauchen also eine Schäre,
die bei beiden Richtungen ruhig und sicher ist. Mit zunehmendem Alter
und der Erfahrung all der Sommerreisen mit Chartergästen bin
ich umsichtiger geworden: Vor Jahren hätte ich wahrscheinlich
propagiert, ein Stück nach Norden zu segeln. Doch in den
dortigen Fjord dürfte noch eine mächtige
Dünung laufen, genau wie in die südwestliche
Ausfahrt, durch die wir hergekommen sind. 
Wir ziehen also den Joker des Albrektsunds Kanal nach
Südosten raus. Keine Welle hier, mit diversen Halsen hangeln
wir uns im Pulk durch den engen Schlauch. An seinem Ende luven wir an
und segeln mit halbem Wind auf Vaxholmen zu. Nur vier Meilen und eine
Stunde, kurz und knackig, außerdem ein Ortswechsel, ein
Kontrastpunkt - und nun das Unterfangen, heil und sicher an die
Schäre zu kommen. Ich lege Paula erstmal vor Anker, mache das
Schlauchboot klar, bringe eine Vorleine nach Land, ziehe die
Gefährtin ans Ufer und lege den Anker um aufs Heck –
die Schwestern können kommen. Manche müssen es
zweimal anfahren, doch niemand benutzt den Außenborder! Es
ist mal wieder perfektes Teamwork, jede und jeder helfen mit, bis
Martha als letztes Boot im Päckchen liegt. Es bleibt reichlich
Zeit für Baden, Ausruhen, Inselerkundung – und gute
Gespräche. Auch will der Weg zur Komposttoilette, die sich in
einer Baumgruppe versteckt, gerne schon ausgekundschaftet sein, damit
der frühmorgendliche Gang nicht zu viel Zeit kostet. 
Zwischendurch telefoniert Ernst mit seiner Frau. „Ganz,
ganz ganz ganz toll“, höre ich ihn sagen,
„ein Hochgenuss.“ Auch ich empfinde diese Reise
bisher besonders gelungen. Nun – nach vielen intensiven,
besonderen, unvergesslichen Erlebnissen – kommt der
eigentliche Höhepunkt. Ernst nennt ihn „das
Filetstück“: Zwischen Marstrand und Gullholmen liegt
der engste, kurvenreichste, felsigste, anspruchsvollste und
aufregendste Teil des Schärenfahrwassers. Geschützte
Becken und enge Sunde wechseln ab mit offeneren Passagen, hinter jeder
Biegung passiert etwas, jede Minute muss man ein neues Seezeichen
finden und zuordnen und nebenbei noch ein, zwei Halsen fahren
– Segeltage können sehr unterschiedlich sein, aber
nirgendwo ist es so spannend und kurzweilig wie hier. Mit den treuen,
tapferen Booten bin ich zum fünften Mal hier. Die
Gäste sind mir über Jahre ans Herz gewachsen.
Gemeinsam genießen wir jetzt das Abenteuer – ich
bin ein sehr zufriedener Mensch. 
Diese Strecke ließe sich mehrfach unterteilen,
überall laden Ringe an geschützten Felsen zum
Übernachten ein. Doch es ist schon Donnerstag, Freitag/Samstag
ist Crewwechsel. Und weil es dann hier draußen am Skagerrak
schon wieder mächtig pustig wird, haben wir uns für
Uddevalla entschieden. Unsere Übernachtungsschäre
– Hundspallen bei Dragsmark – liegt schon in der
Reihe geschützter Fjorde nordwestlich der großen
Insel Orust, die uns dorthin führen wird. Dort können
wir noch ein bisschen segeln, wenn es draußen schon zu windig
ist – ein weiterer Joker aus dem Ärmel. Ich
fürchte nur, dieser Part wird kein Genuss, sondern
ausschließlich ein Mittel zum Zweck. 
Wir haben perfekte Bedingungen erwischt
für die insgesamt 35 Meilen: Südwest 4 Böen
5-6 versprechen eine Rauschefahrt wie in einem schnell geschnittenen
Actionfilm. Wir können jede Krümmung und Biegung
anlegen – bei Gegenan könnten wir die
schönsten und engsten Sunde nicht segeln, sondern
müssten außenherum kreuzen. Vorfreudig legen wir
kurz nach halb neun von Vaxholmen ab. Von Anfang bis Ende bleibt kein
Boot zurück – wir segeln im Pulk. Manchmal kann
Paula sich ein paar Bootslängen absetzen, doch meistens ist es
eher so, dass die Gäste die Schoten dichtnehmen oder
Schlangenlinien fahren. Paulas Rolle als Lotsenboot möchte
niemand übernehmen. Zum Glück bin ich hier oft genug
durchgesegelt, um nicht dauernd am weiteren Verlauf zu verzweifeln.
Zwei, drei Tonnen, Baken oder Leuchttürme in der Seekarte kann
ich mir merken, finde sie in der Realität, und
während wir sie absegeln, habe ich schon wieder die Lesebrille
auf, studiere die Karte und präge mir die nächsten
drei Landmarken ein. Viel zu schnell vergeht die Zeit. 
Hochgenuss? Filetstück? Nichts auf der Welt macht mehr
Spaß als dieser Segeltag! Bei Gullholmen biegen wir ab ins
Innenfahrwasser. Die Bewaldung nimmt zu, der Wind ab, hier und da haben
wir gehörig Abdeckung. Ich bin über langsame Fahrt
und Zeit zum Kartenstudium nicht böse, denn hier kenne auch
ich mich nicht gut aus: Vor vierzehn Jahren war ich schonmal in dieser
Gegend. Damals – an einem trüben Tag – war
ich von der Landschaft und dem Segeln eher enttäuscht.
Darüber hinaus erinnere ich mich an nichts. Auch nicht an die
Seilfähre, die vor den fünf gemächlich
herantreibenden Folkebooten hastig ablegt und rübertuckert.
Husch – die nächste Bö macht uns wieder
richtig schnell. Wir kringeln. Laut Seekarte muss man zum Bug oder zum
Heck der Fähre 200 Meter Abstand halten, um nicht an ihrem
Seil hängenzubleiben. Mir scheint die gesamte
Fährstrecke nur knapp 200 Meter lang zu sein, also
können wir erst durch, wenn sie angelegt hat. 
Nach sieben Stunden erreichen wir Hundspallen. Die
Chartergäste müssen zum Zeitvertreib in der Bucht
herumschwirren. Zunächst finde ich weder die Ringe noch die
tiefe Stelle am Ufer. Immerhin bietet der steile, baumbestandene Felsen
gute Abdeckung. Ich werfe den Heckanker, berge die Segel –
und packe außer den Teddys alle meine Spielsachen aus:
Zunächst gelingt der erste Versuch, mit dem Enterhaken eine
provisorische Landverbindung herzustellen, ganz vorzüglich.
Doch Paula lässt sich nicht an den Felsen ranziehen. Nein, es
liegt nicht am zu knapp belegten Heckanker. Es ist einfach zu flach.
Also packe ich das Schlauchboot aus, es wird als Seilfähre
dienen. Oder? Eine Kammer ist schon aufgepumpt, als ich die Ringe
entdecke und einsehe, dass wir einfach fünfzehn Meter nach
Osten müssen. Anker wieder auf, Fock wieder hoch. Anker ins
Wasser und Fock aufs Deck. Die letzten Meter lassen sich prima wriggen,
so gut ist die Abdeckung. Wir liegen sehr gut beim aktuellen
Südwest und werden es auch beim morgigen Süd tun
– die Schwestern kommen ins Päckchen. 
Ein bisschen schade finde ich, dass es nur zwei
Schärenübernachtungen werden, aber nur aus einem
einzigen Grund: Ich hätte gerne mehr Routine darin,
würde gerne ein paarmal öfter an den Felsen
heranwriggen oder treiben, den Enterhaken ein bisschen
häufiger ausprobieren. Die Gäste hingegen waren
gut zufrieden mit den bisherigen Häfen. Und ich bin es auch.
Hier gibt es nicht einmal eine Komposttoilette. Aber an Land ist der
Platz noch viel schöner, als er vom Wasser aus wirkte.
Mindestens ist das standesgemäß für den
seglerischen Höhepunkt der Reise. Ungestört sind wir
auch. Und es ist wirklich schön gemacht: Neben einem Podest
für den bequemen Ausstieg enthält der Felsen eine Art
Bank fürs Anlegebier. Wir hatten mal eine Sommerreise mit dem
running gag: „Ich werde mich bei der Kurverwaltung
beschweren.“ Die Kurverwaltung in Dragsmark gilt es absolut
zu loben. 
Von der Abreise trennt uns vermeintlich nur noch das unvermeidliche
Pflichtprogramm der letzten fünfzehn Seemeilen – wie
könnte ich ahnen, dass es erneut extra special wird? Vor dem
Wind kommt der Regen, und zwar schon abends. Das ist egal,
müdegesegelt gehen wir sowieso früh in die Koje,
zumal die Umstände ein frühes Auslaufen erfordern.
Denn erstens drohen ab zehn Uhr dunkelblaue Böen auch hier
drinnen, zweitens gibt es in Uddevalla nur vierzehn
Gastliegeplätze, von denen wir welche ergattern wollen, bevor
es andere tun. Viertel vor sechs nutzen wir eine kurze Regenpause zum
Klarmachen der Boote. Den letzten Schauer verbringen wir unter Deck, um
halb sieben treibt auch das letzte Boot in der Flaute, und die Brise
setzt ein. Der Fjord ist mystisch wolkenverhangen, im Westen zeigt der
Himmel schon Struktur, später wird es aufklaren. Einstweilen
denke ich: Wenn man Norwegen nicht ganz schafft, ist das hier ein
ausgezeichneter Ersatz. 
Wir schlängeln uns zwischen einer Inselgruppe hindurch. Ich
bin noch nie an einem Reh vorbeigesegelt, hier grast Bambi am Ufer. Ich
verzichte darauf, ihm „klar zur Wende“ zuzurufen
und zu horchen, wie es antwortet. Plötzlich kein Wind, dann
welcher von hier, da und dort – kaum sind die Schoten dicht,
können sie auch schon wieder gefiert werden, doch letztlich
ist es egal, weil wir sowieso keine Fahrt haben. Bis eine
Fallbö uns wieder in Rauschefahrt versetzt. Es ist
megaspannend, hier einen Weg zu finden – vom
mäßigen Mittelwind kommt fast nichts an,
dafür kommen die Drücker richtig ruppig. Der
Havstensfjord ist dann erheblich großflächiger, der
Wind dort eine stetige fünf. Byfjord, Brücke und
Handelshafen Uddevalla sind in Sicht. 
Nur noch Einlaufen und Anlegen. Hm. Mit frischem Rückenwind
in eine enge Flussmündung mit begrenztem Platzangebot
reinzurattern, klingt an sich schon nach Nervenkitzel. Dann kommt uns
nach und nach ein unglaublich riesiges Feld von Regattateilnehmern
entgegen. Ich wundere mich: Jedes Boot startet einzeln, mit Countdown
per Funk und eigenem Startschuss. Ich registriere das eher am Rande
– hauptsächlich bewegt mich die Frage, ob
womöglich der ganze Hafen für die Regatta reserviert
ist und wir überhaupt keine Liegeplätze vorwinden
werden. 
Es passt ganz vorzüglich: Die Regatta segelt woandershin,
die Boote kommen nicht wieder. Und weil gerade die letzten abgelegt
haben, ist der Hafen nun angenehm leer. Wir haben es geschafft. Also
nicht nur den Absprung von der Schlei und das Erreichen des Ziels: Vor
allem die Tage und 300 Meilen dazwischen waren – wieder
einmal – absolut bemerkenswert, vielleicht unsere gelungenste
Reise. Jetzt freue ich mich auf die Fortsetzung mit der neuen Gruppe. 
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